Seit der Industrialisierung gibt es mehr Zahnfehlstellungen.

Ursache von Zahnfehlstellungen: Krumme Zähne und Karies sind kein Zufall

Ist die Ursache von Zahnfehlstellungen und schlechten Zähnen wirklich nur Genetik und unglücklicher Zufall? Tatsächlich treten diese Probleme erst seit der Industrialisierung vermehrt auf. Entscheidender als als die Gene war dabei der Umstieg von traditionellen auf moderne Nahrungsmitteln. Die gegenwärtig bekannteste Forschung zu Zahngesundheit und Traditioneller Ernährung stammt vom amerikanischen Zahnarzt Weston A. Price (1870-1948). Wer Weston Price schon kennt, kann direkt zu Teil 2 über die Umsetzung von Weston Price’s Erkenntnissen springen.

Zunahme von Zahnproblem im 20. Jahrhundert

Weston A. Price war im Verlauf seiner Zahnarzt-Karierre aufgefallen, dass sich der Zustand von Zähnen und Allgemeingesunheit seiner Patienten innerhalb von 40 Jahren enorm verschlechtert hatte. Seinen Vermutungen nach lag dies an der Einführung neuer Ernährungsgewohnheiten durch die Industrialisierung. Um seine Theorie zu belegen, bereiste er als Rentner zusammen mit seiner Frau ab 1931 die Welt. Dabei untersuchte er isoliert lebende Völker, ihre Gesundheit und Lebensweise.

Er suchte nach den Faktoren, die einen guten Gesundheitszustand bedingen, aber in der modernen Welt fehlen. Price beschrieb seine Beobachtungen und Ergebnisse im 1939 erschienenen Buch „Nutrition and Physical Degeneration. A Comparison of Primitive and Modern Diets and Their Effects“. Price besuchte auf seinen Reisen elf verschiedene Kulturen in Mittel- und West-Europa, Nord- und Südamerika, Ozeanien, Afrika und Australien. Innerhalb dieser besuchte er je mehrere Gruppen (z.B. in Form von Dörfern oder Stämmen). Innerhalb jeder Gruppe wiederum untersuchte er zum einen die isoliert traditionell lebenden Menschen. Zudem besuchte er aus der isolierten Gruppe stammende Menschen, die jedoch z. B. durch Abwanderung in Städte eine moderne Lebensweise angenommen hatten.

Innerhalb jeder von diesen Gruppen untersuchte Price unter anderem die Zähne und notierte, wie viel Prozent von Karies befallen waren. Außerdem dokumentierte er durch Fotos Zahnfehlstellungen und die veränderten Gesichtsstrukturen. Zu jener Zeit, als Price Anfang etwa ab 1931 diese Reise unternahm, waren Rassentheorien noch weit verbreitet. Price wollte allerdings beweisen, dass seine Ergebnisse nichts mit der Rasse der untersuchten Menschen tun hatte. Er wollte zeigen, dass lediglich ihre Lebensweise einen Einfluss auf die Veränderungen hatte. Deshalb wählte er die oben beschriebenen Vergleichsgruppen aus. Übrigens wurden zu jener Zeit in keiner der untersuchten Gruppen Zahnbürsten mit Zahnpasta benutzt, maximal wurden bestimmte Pflanzen gekaut.

Die Gene spielen keine Rolle!

Die beeindruckendste Beobachtung von Price, die er in allen untersuchten Kulturen feststellte, zeigt sich im Titelbild dieses Beitrages:

  1. Generation: Diejenigen Menschen, die noch isoliert und traditionell lebten, wiesen nur eine minimale Prozentzahl an Karies auf. Auch ältere Menschen hatten noch intakte Zähne. Außerdem beobachtete Price, dass es in diesen Gesellschaften keine Zahnfehlstellungen gab. Die Kiefer hatten sogar genug Platz für die Weisheitszähne, wodurch die Gesichter breiter erschienen. Außerdem gab es keine Fälle der damals weit verbreiteten Krankheit Tuberkulose.
  2. Generation: Anders bei Erwachsenen aus derselben isolierten Gruppe, die zum Beispiel durch Abwanderung in Städte eine moderne Lebensweise angenommen hatten. Diese hatten zwar immer noch eine weite Geschichtsstruktur mit genug Platz für alle Zähne. Allerdings gab es bei diesen Menschen eine hohe Prozentzahl an von Karies befallenen Zähnen. Es fehlten viele und im Alter fast alle Zähne. Auch Tuberkulose war bei diesen Menschen verbreitet.
  3. Generation: Kinder, die den modern lebenden Erwachsenen geboren waren, hatten erstmals mehr oder weniger starke Zahnfehlstellungen. Die Ursache lag in zu schmalen Kiefern ohne genug Platz für alle Zähne, und schon gar nicht für die Weisheitszähne. Auch diese Kinder wiesen eine hohe Prozentzahl an Karies auf. Und dass, obwohl ihre Vorfahren immer noch ausschließlich aus dem isoliert lebenden, zahngesunden Stamm/Dorf stammten.

Prof. Mew bestätigt: Die westliche Lebensweise ist Schuld

Dieselbe Erfahrung wie Price machte übrigens auch Professor Dr. John Mew, ein englischer Professor für Kieferorthopädie. Im November 2016 hielt er in Vancouver einen Vortrag mit dem Thema „How Best To Achieve Forward Facial Growth“. Dort zeigte er die Bilder eines seiner Patienten, dessen Vater und Großvater. Der Großvater, die erste Generation, war aus Indien nach England eingewandert und wies eine gute Kieferentwicklung auf. Sein Sohn hingegen hatte bereits eine leichte Unterentwicklung des Kiefers. Der Enkel jedoch, der bei Prof. Mew in Behandlung war, wies einen so stark unterentwickelten Kiefer auf, dass ihm zu einer Operation geraten wurde (siehe Vortragsvideo ab Minute 23:32). Professor Mew sieht die Ursache in verschiedenen Faktoren des westlichen Lebensstils.

Derselben Ansicht war auch Weston A. Price. Er untersuchte zur Erklärung seiner weltweit einheitlichen Beobachtungen die Nährstoff-Zusammensetzung der Ernährung isoliert lebender und modernisierter Gruppen. Er stellte fest, dass die traditionellen Lebensmittel im Vergleich zur modernisierten Ernährung mindestens viermal so viel Mineralien und Calcium enthielt. Zudem beobachtete er mehr als zehnmal so viele fettlösliche Vitamine. Laut der Hypothese von Price trug eine solche nährstoffreiche Ernährung zur Verhinderung von Krankheiten wie Karies und Tuberkulose bei. Mit diesem Ergebnis konnte Price erstmals belegen, dass es einen Zusammenhang zwischen Krankheiten, Kiefer- und Gesichtsstruktur sowie Ernährung gibt. Er konnte beweisen, dass Karies und Zahnfehlstellungen durch zu schmale Kiefer somit keine rein genetische Ursache haben.

Weitere Faktoren zum Entstehen von Zahnfehlstellungen

Es ist inzwischen bekannt, dass eine übermäßige Verwendung von Zucker sowie Nährstoffmängel zu Karies beitragen. Doch wie lässt es sich erklären, dass die Nachkommen der modernisierten Gruppe solch ungünstige Gesichtsstrukturen und Zahnfehlstellungen entwickelten? Inzwischen ist es wissenschaftlich erwiesen, dass bestimmte äußere Umstände negative Auswirkungen auf die Kieferentwicklung haben:

  • Mundatmung: Die modernisierten Kinder waren unter anderem durch Industrieprodukte und übermäßigen Zuckerkonsum mangelernährt. Sie litten erstmals an chronischen Krankheiten wie Allergien, die zu einer verstopften Nase führen können. Die dadurch praktizierte Mundatmung führt zu einer unnatürlichen Position der Zunge, was sich negativ auf die Gesichtsentwicklung auswirkt. Das Gesicht wird länger und verliert an Breite. Der so entstandene zu schmale Kiefer weist nicht mehr genug Platz für alle Zähne auf.
    → Da Mundatmung erwiesenermaßen eine Ursache von Zahnfehlstellungen ist, schicken gute Kieferorthopäden ihre Patienten zum Logopäden. Diese trainieren die richtige Zungenposition und das Atmen durch die Nase. Denn auf Dauer hat dies eine positive Auswirkung auf die Gesichtsstruktur, sodass mehr Platz für alle Zähne vorhanden ist. Dadurch kann auch der Kieferorthopäde mit seiner Arbeit ein besseres Ergebnis erzielen.
  • Kauen: Die traditionelle Ernährung wies viel mehr hart zu kauende Lebensmittel auf. Beispielsweise altes Brot, getrocknetes oder zähes Fleisch und mancherorts sogar Knochen. Der Konsum von ausschließlich weicher Nahrung, wie er charakteristisch für die moderne Ernährung ist, ist ebenfalls eine Ursache von Zahnfehlstellungen.

  • Stillen: Wenn Babies gestillt werden, trägt das intensive Saugen zur Stärkung von Oberkiefer und Zunge bei. Das führt dazu, dass sich weite Kieferbögen mit genug Platz für alle zukünftigen Zähne entwickeln. Bei klassischer Fläschchen-Nahrung müssen sich Babies viel weniger anstrengen, um an die Flüssigkeit zu kommen. Durch die schwache Saugstärke werden Oberkiefer und Zunge nicht genug beansprucht, sodass keine ausreichende Kieferentwicklung stattfindet. Das Risiko, später Zahnfehlstellungen zu entwickeln, ist erhöht. Inzwischen gibt es aus diesem Grund speziell entwickelte Flaschenaufsätze. Diese erschweren absichtlich das Saugen und imitieren dadurch einen ähnlichen Effekt wie beim Stillen. Flaschennahrung mit schwachen Saugern ist somit eine weitere Ursache von Zahnfehlstellungen, insbesondere im Oberkiefer.

  • Körperhaltung: Eine krumme Nackenhaltung kann unter anderem die Atemwege blockieren und zu erstbeschriebenem Problem mit Mundatmung und falscher Zungenposition führen. Sie entsteht unter anderem durch körperliche Schwäche, oder heutzutage auch durch zu viel Computer- und Smartphone-Nutzung. Nun wissen wir, warum früher viel Wert auf eine gerade „disziplinierte“ Körperhaltung gelegt wurde. Denn eine schlechte Haltung kann ebenfalls Ursache für Zahnfehlstellungen und viele weitere gesundheitliche Probleme sein.

Kritik an Weston A. Price

Die Beobachtungen von Weston A. Price sind sehr wertvoll und geben wichtige Denkanstöße. Vielen Menschen haben sie geholfen, ihre Ernährung umzustellen und der Ursache von Gesundheitsproblemen auf den Grund zu kommen. Doch natürlich gab es auch bei dieser interessanten Beobachtungsstudie wissenschaftliche Mängel. Statt sie wie eine „Ernährungsbibel“ zu feiern, sollten wir deshalb einen kritischen Verstand behalten und uns Folgendes bewusst machen:

  • Price beobachtete die Völker nur für einen relativ kurzen Zeitraum. Demnach gibt es keine Aussagen zu saisonaler, Festtags- oder Fastennahrung. Fastenzeiten beispielsweise werden mit keinem Wort erwähnt. Dabei ist bekannt, dass sie seit jeher einen festen Platz im Jahreszyklus verschiedener Kulturen hatten. Dieser Punkt wird auch in Interpretationen von Prices Werk leider komplett ignoriert.
  • Price beschreibt bevorzugt einzelne Nahrungsmittel. Man erfährt wenig über ganze Gerichte und wie diese zubereitet oder kombiniert wurden. Dabei bestehen auch in dieser Hinsicht große Unterschiede in vorindustrieller und moderner Ernährung.
  • Es ist nicht bekannt, wie voreingenommen Price sein Vorhaben anging. Übersah er möglicherweise weniger gesunde Individuen in den isolierten Gemeinschaften? Gab es abgesehen von den Zähnen möglicherweise mehr andere Krankheiten, auf die Price nicht eingeht?
  • Wie objektiv hat Price seine Ergebnisse interpretiert? Die mangelnde Wissenschaftlichkeit seiner Studie wurde nämlich schon zu seinen Lebzeiten kritisiert.

Aus diesen Gründen ist es wichtig, auch andere Persönlichkeiten der Vergangenheit und deren Beobachtungen zu berücksichtigen, beispielsweise Sir Robert McCarrison. Zudem gibt es in den Quellenabgaben einen kostenlosen Link zu Prices Originalwerk, damit sich jeder eine eigene Meinung bilden kann.

Im Artikel „Kritische Sicht auf „Traditionelle Ernährung nach Weston Price““ werden Weston A. Prices Empfehlungen zu traditioneller Ernährung beschrieben und, wie diese von verschiedenen Autoren (miss)interpretiert werden.

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Quellen und weiterführende Literatur

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5 Kommentare

  1. […] als auch Robert McCarrison erforschten vor allem die Auswirkungen auf die Gesundheit. Wer sich für Weston A. Price interessiert (der übrigens nie in Indien war), sollte auch diese Forschungen […]

  2. Mirû says:

    Zur Entstehung von Karies wurde nun allerdings nichts gesagt.
    Es gibt mittlerweile Zahnärzte (wie Dr. Karin Bender), die sagen, dass die „offizielle“, weit verbreitete Theorie falsch ist. Sie sagen, dass Karies hauptsächlich durch Entmineralisierung der Zähne durch Versauerung des Körpers und des Speichels verursacht wird (was eben auch mit zuckerreicher Nahrung zu tun hat, aber wozu auch Mundatmung, geringer Speichelfluss (z.B. durch geringes Kauen), wenig Rohkost (diese kann zahnreinigende Effekte haben, z.B. auch das Kauen von nicht zu süßen Äpfeln) beitragen). Auch gibt es neue Forschungsergebnisse zur Struktur von Zähnen (nicht die Zahnanordnung ist gemeint), und aus denen wird geschlussfolgert, dass Zähne gewissermaßen „lebendig“ sind (und da ist nicht nur die Wurzel gemeint). Bei Karies würde eine Art Sog in den Zahn hinein bestehen, weil da ein (Innenzahnreinigungs-)Mechanismus umgekehrt sei, sodass das Verstopfungen feinster Röhrchen o.Ä. (d.i. eben die o.g. Strukturen) zur Folge habe. Und Karies könne oftmals auch wieder umgekehrt werden (was ich selbst auch schon bei einem Zahn von mir, an dem bei einer Stelle schon immer eine durch zunächst leicht helleren Farbton erkennbare Strukturschwäche bestand, erlebt habe – dass Karies, der sich an der Stelle zu entwickeln begann, wieder (fast?) verschwunden ist (je nach dem was denn Karies nun genau sei), jedenfalls ist da nun seit Jahren nur noch eine dunkle, immer mal wieder variierende Verfärbung und eine leichte Unebenheit, aber es breitet sich nicht über die Stelle hinaus aus).

    1. Ich danke für die Ergänzungen und den Erfahrungsbericht! Wie am Ende des Artikels angekündigt, sollen weitere Infos in einem zweiten Artikel zum Thema kommen. Leider bin ich noch nicht dazu gekommen, diesen zu schreiben …

  3. Ich habe ebenfalls inzwischen eine Zahnfehlstellung entwickelt. Daher ist es gut zu wissen, dass das mit dem 20. Jahrhundert immer häufiger wurde. Dann erklärt das vielleicht, warum ich die erste in meiner Familie damit bin.

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