In vielen Ländern wie in der Türkei, in Zentralasien, Indien, Japan oder sogar in Korea findet das Leben noch zu einem großen Teil auf dem Boden statt. Welche gesundheitlichen Vorteile das hat, das erfahrt ihr in diesem Beitrag.
Nachdem ich mal auf Instagram erzählte, dass in meinem Haushalt gewöhnlich „verdauungsfreundlich“ auf dem Boden sitzend gegessen wird und der hohe europäische Esstisch fast nur für Gäste zum Einsatz kommt, kamen sehr viele Anfragen dazu. Ich verfasste dazu einen spontanen Beitrag, der inzwischen zu meinen beliebtesten Instagram-Posts gehört. Nun bin ich auf die Reaktionen der Leser meiner Webseite gespannt!
Wie ich zum Sitzen auf dem Boden kam
Auf Stühlen zu sitzen ist eigentlich keine natürliche Gewohnheit des Menschen und wird auch heute als einzige Sitzform nur von einem kleinen Anteil der Weltbevölkerung praktiziert. Das wurde mir erstmals so richtig bewusst, als ich vor 10 Jahren in Indien lebte. Bei reicheren Familien, in Büros und Restaurants wurden Stühle genutzt. Die einfachen Familien jedoch setzten sich in den Schneidersitz, stellten den Teller vor sich auf den Boden und aßen.
Ich arbeitete dort in einem Kinderheim und aß täglich zusammen mit den Kindern zu Mittag. Ich war es überhaupt nicht gewöhnt, so zu sitzen und fand es sehr unbequem. Ich änderte oft meine Sitzposition, stellte mir den Teller auf die Knie oder setzte mich auf einen Wandvorsprung. Die Kinder lachten und ermahnten mich jedes Mal: „Sister, sit properly!“
Auch schlief man dort nicht in Betten, sondern auf dünnen Stroh- bzw. Plastikmatten auf dem Boden. Als ich einmal mit einer Yogamatte zum Schlafen kam, wurde sie als „weiches Bett“ bezeichnet. Bei Toiletten wird zwischen „Indian“ und „Western toilet“ unterschieden. Erstere ist ein Loch im Boden, über das man sich hockt.
Letztendlich lernte ich, das dieses Leben auf dem Boden viele gesundheitliche Vorteile hatte und Stühle eigentlich gar keine so fortschrittliche Erfindung waren. Zurück in Deutschland fing ich an, in meinem WG-Zimmer auf dem Teppich zu essen. Zudem stellte ich mir unauffällig einen umgedrehten Eimer als Klo-Hocker ins Bad. Zum Schlafen die harte, flache Matratze eines Futons (japanisches Bodenbett) und am Schreibtisch einen schaukelnden Stuhl, der zu regelmäßiger Bewegung zwingt (und den ich zufällig bereits besaß). Inzwischen tue ich mir sogar schwer, mal länger ohne angezogene Beine auf Stuhl oder Couch zu sitzen, und jeder Raum wirkt unvollständig ohne einen gemütlichen Teppich!
Vorteile des Essens auf dem Boden
Die von mir gern zitierte indische Nutriologin Rujuta Diwekar sieht viele gesundheitliche Vorteile in dieser traditionellen Art zu Essen. Wenn der Teller auf dem Boden steht, muss man den Körper wiederholt aus dem Schneidersitz (Sukhasana) hoch und runter bewegen. Dies stimuliert die Magenmuskulatur und sorgt für eine verbesserte Durchblutung. Dadurch soll die Magensäureproduktion gesteigert, das Essen schneller verdaut und die Aufnahme von Mikronährstoffen erhöht werden. Die Konzentration und Aufmerksamkeit beim Essen verbessert sich und beugt Überessen vor. Zudem tritt mit aufgerichteter Wirbelsäule und geraden Schultern eine positive Wirkung auf die Haltung auf, was die Magenmuskulatur entspannt. Letztendlich hält es den Körper jung und flexibel und erhält die Kraft und Stabilität des Unterkörpers, wenn man sich mehrmals am Tag auf den Boden setzt und dann wieder aufsteht. Eine Bewegung, die der westliche Mensch nur noch selten durchführt – die in traditionellen Ländern jedoch oft sogar sehr alten Menschen gelingt!
Vom Stuhlgang – sitzend oder hockend
Der Arzt Dov Sikirov stoppte für eine Studie bei Probanden die Zeit des Stuhlgangs in verschiedenen Positionen. Das Ergebnis: Sitzend dauerte dieser im Durchschnitt 130 Sekunden und schien unvollständig. Beim Hocken hingegen dauerte er nur 50 Sekunden und wurde als erleichternd empfunden. Dies liegt daran, dass beim Sitzen oder Stehen zur Unterstützung der Schließmuskeln ein Knick im Darm entsteht. Für den Stuhlgang ist dies allerdings ein Hindernis und führt zu modernen Krankheiten wie Verstopfung oder Hämorrhoiden. „Die Hocke ist schon seit Urzeiten unsere natürliche Kloposition“, schlussfolgert Medizinerin Giulia Enders im Buch „Darm mit Charme“. Ihre Lösung für den modernen Menschen: „Der Oberkörper wird leicht nach vorne gebeugt, und die Füße werden auf einen kleinen Hocker gestellt!“ Dies ist also die Weisheit der bei Touristen unbeliebten „Indian toilet“, dem „Loch im Boden“!
In „Return to Laughter: An Anthropological Novel“ von Elenore Smith Bowen von 1964 verarbeitet die Amerikanerin in Romanform ihre Erlebnisse bei einem nigerianischen Stamm. Als sie darum bat, ihr ein Toilettenhäuschen zu bauen (um nicht „wie die Wilden in den Busch“ gehen zu müssen), sägten die Einheimischen das Loch auf dem erhöhten Podest zum Entsetzen der Autorin intuitiv so mittig, dass es perfekt zum Hocken, aber unmöglich zum Sitzen war.
Sitzen auf Stühlen als Krankheitsursache
Bei Forschungsreisen nach Äthiopien vor über 20 Jahren stellte der Arzt Martin Oswald fest, dass ursprünglich lebende Menschen keine Krampfadern haben. Die Einheimischen sitzen dort traditionell nicht auf Stühlen, sondern kauern, hocken oder liegen. Das Sitzen auf Stühlen ist seiner Meinung nach die Ursache vieler moderner Krankheiten: „Der Mensch muss schauen, dass er den Stuhl meidet. Er muss den Stuhl als Feind erkennen!“ Auch Verstopfungen, Thrombosen oder Dickdarmkrebs sollen neben Haltungsproblemen und Bindegewebsschwäche durch das übermäßige Sitzen auf Stühlen verursacht werden. „Der Stuhl übernimmt Funktionen, die normalerweise die Muskeln im Körper verrichten.“ Dr. Oswald lebt seit über 20 Jahren ohne Stühle und behauptet, sich so von Athrose und Krampfadern befreit zu haben. Wer erinnert sich noch an Religions- oder Lateinunterricht, wo im Bezug auf das alte Rom oder die Bibel von „zu Tische liegen“ die Rede war?
Kommentare meiner Instagram-Abonennten
- „Ich sitze schon seit vielen Jahren lieber auf dem Boden, finde ich tatsächlich viel angenehmer für die Beine und den Rücken. Auf Stühlen sitze ich so oft im Schneidersitz wie und wo es geht.“
- „Toller Beitrag!!! Ich habe unseren Küchentisch auch rausgeworfen, so kann mein kleines Kind auch immer gut zuschauen, was ich schnippel und sich nicht mehr am Tisch stoßen. Man braucht auch weniger Wohnraum, weil er nicht so vollgestellt ist.“
- „Voll spannend! Jetzt überlege ich schon wie und wo wir das am besten umsetzen könnten. Für Kinder ist es bestimmt auch viel schöner, als in den Hochstühlen brav am Tisch zu sitzen.“
- „Ich habe auch einen Hocker im Bad. Und wenn ich jetzt darüber nachdenke, am Esstisch eigentlich ein Sofa, wodurch ich schon beide Beine oft hochnehme.“
- „Ach deswegen möchte ich immer meine Beine auf dem Stuhl haben. Ohne Schneidersitz oder angezogenen Beinen kann ich nicht essen.“
- „Omg so geht’s mir auch. Seit meiner Kindheit mach ich das schon so. Einfach im Schneidersitz auf dem Stuhl.“
- „Fühlt sich auch intuitiv richtiger an ohne Stuhl zu sitzen!“
- „Ich habe bemerkt, dass ich schneller satt werde durch die Sitzhaltung.“
- „Ich habe auch das Gefühl, dass man dadurch weniger isst, weil vielleicht das Volumen des Magens durch das Sitzen reduziert wird?“
- „In Ägypten, Marokko oder auch anderen afrikanischen Ländern ist es auch heute noch so, gegessen wird auf den Boden sitzend und die Toiletten (gerade in der Öffentlichkeit) sind oftmals auch noch zum hocken auf dem Boden.“
Quellen
- Arora, Garima: Sukhasana Benefits: Rujuta Diwekar Tells Why You Must Eat Your Meals In Sukhasana, 2020. (abgerufen am 11.05.23)
- Diwekar, Rujuta: Week 3 guideline – Sit in sukhasana to eat your food, 2020.
- Endres, Giulia: Darm mit Charme, Berlin 2014.
- Oswald, Martin: Sitzen ist das neue Rauchen, 3sat 2021.
Liebe Leser, ein halbes Jahr lang war ich nicht mehr auf dieser Webseite aktiv und es steht noch die Beantwortung mancher Nachrichten und Kommentare aus. Aber ihr könnt euch sicher sein, dass ich mich während meiner Abwesenheit fleißig weiterbilde. Und zu gegebener Zeit werde ich neues spannendes Wissen mit euch teilen! Ich freue mich auf eure Kommentare 🙂